MENSCHEN: Back to the Roots – Mauern durchbrechen

Bob Blume
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24. Juni 2013
9 Kommentare
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Milica Reinhart ist eine Weltbürgerin. Mal arbeitet sie mit Obdachlosen zusammen, mal mit Jugendlichen. Mal ist sie in Deutschland unterwegs, mal auf ganz anderen Kontinenten. Schaut man auf ihr Facebook-Profil, stößt man zunächst auf das leicht seitliche Profil einer Frau mit schulterlangen, schwarzen Haaren, die sich ihren schwarz gefärbten Händen durchs Gesicht streicht. Der Blick ist fokussiert, konzentriert. Auch der Blick auf dem Titelbild schweift über den Spiegel in den Raum. Sie scheint, etwas entdeckt zu haben. Sieht man sich die zahllosen Bilder an, die 1958 in Djakova, Kroatien geborene Reinhart online präsentiert und auf Vernissagen und in Museen ausstellt, wird schnell klar, was es mit diesem Blick auf sich hat. Die gegenstandslosen Bilder scheinen Gefühle und Emotionen so klar darzustellen, dass es scheint, sie könne geradezu in den Geist hineinschauen. Man könnte auch sagen, dass sie sehr konkrete abstrakte Kunst macht.

Die Künstlerin, die mit ihren Werken bis nach Südafrika, Tunesien, Brasilien und die Niederlande ging, und die die Autobahnbrücke der Stadt Hagen in einer groß angelegten, über mehrere Jahre gehenden Aktion verschönerte, beantwortete über das Telefon Fragen zu ihrem jetzigen Schaffen.

 

An was arbeitest du gerade?

Ich arbeite gerade an Farbstudien. Im Augenblick geht es darum, ein ganz besonderes Gelb, Orange und Violett selbst zu mischen.

 

Fällt dir spontan ein Titel für dein deszeitiges Schaffen ein?

Farblabor. Es geht wirklich darum, die Farbmischung hinzubekommen, die ich mir wünsche, um dann – im nächsten Schritt – ein Gemälde damit zu machen. Ich arbeite im Moment an einem großen Gemälde, das fünf Meter mal zwei Meter groß wird, und dafür brauche ich ein ganz bestimmtes Gelb.

 

Was ist für dich ein gelungener Tag?

Wenn ich den Ton getroffen habe. Der Ton ist nicht in meinem Kopf, er ist direkt um mich herum. Der Kopf ist nur dafür da, es dann zu mischen.

 

Du bist ja von Hagen nach Solingen gezogen. Gab das neue Impulse?

Ja, klar, das ist ganz normal. Woanders macht man andere Arbeiten. Es ist nicht die Umgebung, sondern es sind die Menschen, die einem neue Impulse geben. Man verlässt Freude, Umgebung – aber vor allem auch die Farben. Ich hatte das Gefühl, ich fange ganz von neuem an.

 

Vermisst du Hagen?

Ja, sehr. Obwohl ich nicht wieder zurück möchte. Ein neuer Ort ist auch eine neue Herausforderung. 

 

Du fühlst dich ja in vielen Städten wohl. Bevorzugst du denn eine?

Wenn ich in eine Stadt komme, dann erobere ich sie auch mit meinem Schaffen. Man lässt das Alte ein Stück weit da. Man hat schon ein wenig Heimweh.

 

Du sagtest einmal, dass es dir schwer fiel, nach zwölf Jahren aus dem kroatischen Dort zu gehen. Was ist für dich Heimat? Beeinflusst die Heimat dein Schaffen?

Für mich ist Heimat, wo ich bin, was ich kennenlerne. Ob Kroatien, Hessen, das Ruhrgebiet oder das bergische Land. Heimat ist für mich Heimat auf Zeit, nicht Heimat für’s Leben. Und jede neue Heimat beeinflusst das Schaffen auf seine ganz bestimmte Weise.

Du malst ja richtig, seit du 38 bist. Wie hat sich dein Stil seitdem verändert?

Naja, eigentlich male ich schon, seit ich klein bin. Ich habe damals alles noch im Kopf gemacht. Mein Stil ist eigentlich seit dem ersten Moment derselbe. Mein allererstes Ölbild hängt noch bei meinem Sohn im Zimmer. Was sich verändert hat, ist die Technik. Seitdem ich an der Hagener Autobrücke gearbeitet habe, hat sie die Technik schon verändert. Aber die Stärke, die Kraft, die ich immer in meinen Arbeiten gesehen habe, die hat sich nicht verändert.

 

Hast du manchmal auch gar keine Lust, etwas zu schaffen?

Es geht immer, immer, immer. Selbst wenn ich zeichne, egal. Ich lebe dafür.

 

Machst du auch noch etwas anderes, als zu malen?

Ich mache weltweite Projekte mit Jugendlichen, aber das ist auch wie ein Bild malen. Auch die Vorbereitung, die Realisation. Wie die sechs Jahre Arbeit an der Brücke. Gerade mache ich ein Projekt in Solingen, dann in Österreich. Ich bin da Tag und Nacht mit beschäftigt, egal, wo ich gerade bin. Arbeit und Privates ist für mich eins. Es gibt keinen Zeitpunkt, an dem ich nicht damit beschäftigt bin. In allen Bereichen der Kunst – ich arbeite immer. Wie man ja auch auf Facebook sieht.

Wie kamst du zu der Entscheidung, Facebook beizutreten?

Ein Industrieller hatte die Brücke gesehen und mich darauf angesprochen, ob ich ein Industriegebäude, das er gekauft hatte, bemale. Es sollte um Freunde gehen. Und da ergab sich der Zusammenhang mit Facebook. Dieses Soziale. Dann habe ich recherchiert und gesehen, wie schnell alles geht.

 

Was hat sich seitdem verändert?

Nun ja, ich hatte innerhalb kürzester Zeit 3000 Freunde. Das war schon toll. Leider hat sich das Projekt nicht realisiert, da ich herausgefunden habe – auch über Facebook, dass dieser Industrielle für Scientology arbeitet. Mit so einem Typen wollte ich nicht arbeiten. Aber Facebook, das Netzwerk – das ging weiter. Ich habe unheimlich viele Ausstellungsmöglichkeiten bekommen. Ich arbeite eigentlich damit. Wenn man so intensiv arbeitet wie ich, ist es sonst einfach schwierig, Kontakte zu knüpfen.

 

Viele Menschen schreiben, dass sie von deinen Bildern inspiriert sind. Wie fühlt sich das an?

Das ist witzig. Die kopieren ganz viel und ich freue mich. Aber alles lese ich auch nicht. Wie fühlt sich das an? Schwierige Frage. Ich weiß es ehrlich nicht. Da habe ich noch nie drüber nachgedacht. Es ist schon angenehmer, als ständig kritisiert zu werden. (lacht)

 

Apropos Gefühl. Brauchst du das „richtige“ Gefühl, um deine Bilder zu malen?

Das ergibt sich einfach. Ganz ehrlich.

 

Du arbeitest im Augenblick viel mit Manfred Brückner zusammen. Was fällt dir spontan dazu ein?

Das war eine schöne Aktion – die Ausstellung in dem Atelier. Wir arbeiten ja schon zwei Jahre zusammen. Seine Stadt kennt mich ja noch nicht. Und dann hat er direkt gesagt, dass er Lust hat. Die Presse war auch mit dabei und so hat sich das dann einfach sehr gut entwickelt. Davor haben wir in Österreich gearbeitet und dann noch die Aktion, um an den Solinger Brandanschlag zu erinnern. Solche Aktionen sind mir sehr wichtig. Überhaupt auch politische Zeichen zu setzen.

Welcher Künstler inspiriert dich? Warum?

Die Menschen, mit denen ich gerade zusammen arbeite, inspirieren mich. Man muss ein Gefühl von Sicherheit haben, dann klappt das. Manchmal muss man aber auch einfach alleine sein.

 

Welche Reaktionen haben dich nach der Bemalung der Hagener Autobahnbrücke erreicht?

Ich habe ein Künstlerstipendium bekommen, ich war auf der Berlinale – was will man mehr. Die Leute, die dort wohnen, waren sehr glücklich. Es ist jetzt 5 Jahre her und es ist nichts verschmiert. Das sagt doch eigentlich alles.

 

Hast du bestimmte Ziele, die du mit deiner Kunst erreichen willst?

Ach, ich denke gar nicht so weit. Ich kann nicht vorplanen. Höchstens wenn es um das Kunstmanagement geht, das ich ja auch selber mache. Aber ansonsten plane ich nicht. Ich will ja auch zeitgemäß arbeiten, die politische Lage mit einzubeziehen. Dass mein Kroatien in die EU kommt ist mir unheimlich wichtig, da es für mich ein Zurückkommen nach Hause bedeutet. Ich habe Projekte in Vukovar geplant. Das ist mir ungemein wichtig. Dort herrscht immer noch Apartheid. Da gehen die Kroaten in die eine, die Serben in die andere Schule.

Die Künstler haben mich da gerufen, weil sie wussten, dass ich da Erfahrung habe. Ich habe ja schon mit Kosovaren zusammen gearbeitet, mit Roma. Das ist für mich einfach „Back to the Roots“. Ich war sehr, sehr lange nicht mehr da. Aber jetzt will mir meine Geburtsstadt eine Ausstellung ermöglichen – das ist schon etwas Besonderes in einem Land, in dem eigentlich nur studierte Künstler ausstellen dürfen. Wenn man das so sagen kann, durchbreche ich da eine Wand. Das ist schon ein Riesending. Und das hat auch damit zu tun, dass sie in die EU kommen.

 

Ich bedanke mich.

Ich mich auch. Es bleibt spannend. 

Hat Ihnen und Euch das Interview gefallen? Ich freue mich über den Besuch und ein "Like" auf meiner Facebook-Seite: https://www.facebook.com/pages/Bob-Blume/597631070273557

9 comments on “MENSCHEN: Back to the Roots – Mauern durchbrechen”

    1. hallo milica
      du bist eine grossartige und bewundernswerte Künstlerin, ein riesen Kompliment an dich! ich bin sehr beeindruckt über deine Arbeit im Atelier,deine art zu schaffen, einfach deine ganze art wie du dich gibst und bist, was ich lese über dich, einfach grandios !
      ich wünsche dir weiterhin sehr viel erfolg und Freude an allem was du machst...
      liebe grüsse Roswitha

  1. Beeindruckend wie ihre Arbeiten,der Mensch Milica Reinhart,bescheiden,beharrlich,aufmerksam und kollegial,in faszinierender,hingebungsvoller Liebe zu ihren Farben,voller Gespür für das Wesentliche und die Wesen die ihr begegnen,
    mit Achtung vor den einfachen Menschen und mit engagiertem Einsatz für die Stummen und für diejenigen ,die am Rande stehen!

  2. Maravilhosa entrevista ! Seu trabalho a cada dia me fascina !!! Suas fotografias de atelier , nos conduz ao esplendor de seu trabalho ! Quanta energia , força vejo em ti . Lhe desejo muito sucessos !!! Saudações !

  3. liebe milica,
    bin ziemlich begeistert von deiner schaffensart, erfreue mich an deiner kunst und deiner art diese zu präsentieren. sie ist unaufdringlich, dennoch so einprägsam und dein farbenspiel ist etwas ganz besonderes. lieben gruß, ute

  4. Hallo Manfred,
    Sie sind ein Großartiger Maller und ich mag sehr gerne Ihre bilder schun dürfen und Ebefalls denn kommentieren von daher Wünsche ich auch noch Wünder schone bilder von
    Ihne zu erleben
    Gruß Pädraum

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