Das Thema Medien, Kommunikation und Medienwandel ist zunehmend im Fokus der gymnasialen Oberstufe (und der Schule überhaupt). Dabei lesen die Schüler:innen oftmals Grundlagentexte zum Thema, die ein Fundament für das Verständnis legen sollen. Aktuellere Beiträge kommen aber seltener vor. Das möchte ich mit dieser Reihe ändern, in der ich Gespräche und Texte zum Thema auf dem Blog teile. Der folgende Text ist eine Verschriftlichung des Podcast-Gesprächs mit Sascha Lobo, in dem der bekannte Autor, Kolumnist und Speaker über sein Verständnis von Medien und Medienwandel spricht. Der Podcast ist am Ende des Beitrags eingebettet. 

„Realitätsschock hat oft mit Wandel zu tun und einer neuen Situation, in der man sich erst zurechtfinden muss. Eben wie der Medienwandel.“ (Sascha Lobo).

Medienwandel. Ein Begriff, den jeder schon einmal gehört hat. Ein Phänomen, mit dem jeder alltäglich konfrontiert wird – und trotzdem wissen die Wenigsten, was man genau darunter versteht. Denn mit der Digitalisierung rollt eine Welle an Innovationen und Veränderungen über uns, die nur schwer greifbar ist. Die einzige Möglichkeit, um den daraus resultierenden Realitätsschock zu überwinden, ist laut Sascha Lobo Wissen und Verständnis füreinander und die Materie. Was bedeutet also „Medienwandel“ und wie genau verändert er unsere Wahrnehmung, unser Denken und Handeln? Nur wer diesen Fragen auf den Grund geht, kann verstehen, wie der Medienwandel Einfluss auf uns nimmt und wie wir selbst Einfluss auf den Medienwandel nehmen (können).

Wie so oft, ist auch das Phänomen des Medienwandels stark abhängig von der Definition, die man zugrunde legt. Teilt man den Begriff in seine zwei Bestandteile auf, wird eines schnell klar: „Wandel“ zu definieren stellt dabei nicht die Herausforderung dar. Jeder hat intuitiv eine Vorstellung davon, was ein Wandel bedeutet und was ihn ausmacht. Anders sieht das hingegen bei dem Begriff der „Medien“ aus, der bereits unzählige Male verschieden definiert wurde und stetig neu definiert wird. Eine einheitliche Definition für den Begriff der „Medien“ oder das „Medium“ zu finden, scheint unmöglich. Gleichzeitig hat die Definition, die zugrunde gelegt wird, allerdings einen unmittelbaren Einfluss auf das Verständnis des Medienwandels. Es ist demnach kein Wunder, dass viele Schwierigkeiten dabei haben, dieses Phänomen zu greifen.

Will man das Konstrukt Medienwandel dennoch definieren, muss man laut Sascha Lobo deshalb von dem „Wandel der Wahrnehmung der Welt durch die Menschen“ sprechen. Wie nehmen Menschen die Welt wahr? Natürlich zunächst einmal durch ihre Sinne. Geht man jedoch einen Schritt weiter, kommt hier die gesamte Medienlandschaft hinzu. Bereits 1955 hat Niklas Luhmann erkannt: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ (Realität der Massenmedien). In der heutigen Welt der Sozialen Medien kann allerdings eine weitere Ebene hinzugefügt werden: „Was wir über die Welt fühlen, das fühlen wir (auch) durch die Sozialen Medien“ (Sascha Lobo). Folglich wird hier bereits ein Wandel erkennbar: Der Wandel der Informationen und die damit verbundene emotionale Wirkung innerhalb der Medienlandschaft, die gleichzeitig noch komplexer, schneller, intensiver und vielfältiger geworden ist.

Die Essenz dieses Wandels stellt dabei der Rückkanal dar, dessen Macht immer größer wird. Denn die Kommunikation der Medienlandschaft hat sich verändert. Menschen reagieren, interagieren, partizipieren. Weg von der „one to many“ Kommunikation, hin zur „many to many“ Kommunikation.

Wie groß dieser Einfluss des Rückkanals sein kann, erlebt wahrscheinlich jede:r, die/der an der digitalen Welt der Sozialen Medien teilnimmt, selbst: Medieninhalte erzeugen Medienwirkungen.

Texte und andere Medieninhalte beeinflussen Menschen und deren Reaktionen darauf nehmen wiederum Einfluss auf andere Menschen, die Autor:innen selbst oder sogar den Algorithmus. Einfache Reaktionen und Multiplikationen wie Likes, Comments und Shares können einen sehr großen Einfluss auf das eigene Inhaltsschaffen haben. Das ist prinzipiell nicht schlecht. Es ist nicht verwerflich, so zu schreiben und zu gestalten, dass Inhalte möglichst viele erreichen und ansprechen. Wichtig ist jedoch, dass nicht die Reaktionen auf Inhalte im Vordergrund stehen, sondern stets die Medieninhalte selbst und der damit verbundene Erkenntnisgewinn, der Wissensgehalt oder das Diskussionspotenzial. Dies gilt vor allem in einer digitalen Medienwelt, in der sich auch die Art des Gatekeepings verändert.

Gatekeeping als Schlüsselloch der Publikationsmacht findet nämlich auch auf den Sozialen Medien statt, allerdings nach anderen Kriterien als das klassisch-redaktionelle Gatekeeping. So entscheiden hier zum Beispiel algorithmische Kriterien wie die Followerzahl oder das Engagement darüber, welche Inhalte Reichweite, Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit bekommen. Hier muss allerdings angemerkt werden, dass die Art des Gatekeepings keinen ultimativen Unterscheidungsfaktor zwischen den redaktionellen Medien und Sozialen Medien darstellt. Denn auch auf den Sozialen Medien finden sich hoch professionelle Inhalte, die durch redaktionelles Arbeiten erstellt wurden und journalistischen Standards standhalten können – aber eben in einer Sprache und mit einer Leichtigkeit präsentiert werden, die dem Ton der Sozialen Medien entsprechen.

Durch einen Redaktionsstab erstellte Informationsvideos auf Social Media Plattformen, wie man sie zum Beispiel von Rezo oder Mai Thi Nguyen kennt, sind ein Beispiel dafür, die positiven Aspekte des Medienwandels auszuschöpfen. Und genau darum geht es. Der Medienwandel ist unaufhaltsam und in vollem Gange. Es ist deshalb schon lange nicht mehr zielführend zu diskutieren, ob der Medienwandel gut oder schlecht sei. Es geht darum, die guten Seiten des Medienwandels zu betonen und seine Chancen bestmöglich zu nutzen, während wir lernen mit den negativen Seiteneffekten umzugehen. Das wirft die zentrale Frage danach auf, wie wir es schaffen, uns die positiven Eigenschaften des Medienwandels zu nutzen zu machen?

Die Antwort darauf ist so simpel wie ernüchternd: mit langer und harter Arbeit. Das gilt für alle Bereiche des Lebens, ob Alltag, Politik oder Bildung. Besonders im schulischen Kontext bietet der Medienwandel und die digitale Vernetzung große Chancen, das Bildungssystem zu revolutionieren. Ob „mediale Bildung“ als eigenes Unterrichtsfach oder das Smartphone als fächerübergreifendes Bildungswerkzeug – die Möglichkeiten scheinen grenzenlos. Allerdings genauso wie die Hürden, die es auf diesem Weg noch zu überwinden gilt.

1 Kommentar

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein