UNTERRICHT: Sinnvolle Sanktionen

Bob Blume
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23. Juli 2014
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Fernab von Themen mit medialem Bezug möchte ich gern auf ein allgegenwärtiges Problem der Schule und des Lehrberufs Bezug nehmen. Konkret geht es um das, was jedem Lehramtsanwärter und jeder Lehrperson unter „Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen“ bekannt ist.

Inwiefern diese Maßnahmen sich unterscheiden, welche Kriterien beachtet werden müssen und inwieweit diese Maßnahmen „der Verwirklichung des Erziehungs- und Bildungsaustrags“[1] der Schule entsprechen, soll nicht der Fokus sein. Denn dann verschiebt sich das Gewicht zu sehr auf die Ergebnisse, die sich bei einer vagen Google-Suche zeigen: Der Frage danach, was ein Lehrer darf und was nicht. Diese Perspektive ist jedoch eine missverständliche, ja, gefährliche, da sie schon zugrunde legt, dass es um das Maß einer „Bestrafung“ geht, dessen einzige Qualifikation Schärfe und Intensität ist.

In dem von mir zusammengefassten Buch „Störungen in der Schulklasse“[2] wird ein solcher Perspektivwechsel vorgenommen, indem nicht die Intervention in den Mittelpunkt gestellt wird, sondern das präventive Verhalten der Lehrperson vor einer Störung. Zu den „Maßnahmen gegenüber Einzelnen“ heißt es dort: „Der erste Weg besteht darin, das Arbeiten mit Anreizen zu einem generellen Prinzip zu machen, dem alle Schüler/innen der Klasse profitieren können (...)“[3]. Sicherlich ist schon hier keine allgemeine Zustimmung zu erwarten, liegt das Problem ja häufig in der Diskrepanz des zu erwartenden und des tatsächlichen Verhaltens. Verläuft die Klassenführung der Lehrperson aber tatsächlich in erwünschtem Rahmen, in dem auch soziales Miteinander und Respekt vorhanden sind, bleibt es aber dabei, dass auch Einzelgespräche und positive Anreize nicht das Allheilmittel sind. Beratungsresistenz ist hier das Stichwort.

Geht es aber darum, die Arten einer direkt auf unerwünschtes Verhalten folgenden Sanktionsmaßnahme zu beschreiben oder zu beurteilen, werden die Ergebnisse dünner. Vor allem der Lehrerfreund beschreibt nach einem Kommentar auf einen früheren Artikel sehr präzise den Unterschied zwischen Strafen und Erziehungsmaßnahmen. Vor allem die Tipps am Ende des Artikels sind Schritte in die richtige Richtung:

So soll die Lehrkraft zunächst pädagogisch intervenieren, sich über die Intention klar werden, ungerechte Bestrafung vermeiden und „richtig“ strafen (was im Folgenden definiert wird).

Vor allem den vierten Punkt, der hier vorgeschlagen wird, möchte ich jedoch näher unter die Lupe nehmen: „Strafen Sie sinnvoll.“

(Hier finden Sie, was für Strafen es überhaupt gibt).

Denn genau an diesem Punkt sind sich viele Pädagogen uneins. Die beiden Pole der Argumentation sind zumeist diese:

1. Wenn ich eine Strafe verhänge muss sie „wehtun“, d.h. sie darf keine Freude bereiten. Deshalb lasse ich z.B. die Hausordnung abschreiben.

2. Eine Strafe muss so sinnvoll sein, dass der Schüler auch etwas davon hat, länger in der Schule zu sein.

Beide Sichtweisen sind problematisch.

Bei der ersten Sichtweise ist schon die Grundannahme problematisch, weil ich annehmen muss, dass z.B. ein langer, vor ein paar Jahrzehnten „Besinnungsaufsatz“ genannter Reflexionsaufsatz den Schüler/ die Schülerin zu einer Einsicht kommen lässt, die sie vorher nicht hatte oder dass eine Strafaufgabe, grob gesagt, so ätzend ist, dass sich der Schüler beim nächsten Mal überlegt, ob er so handeln soll. Da aber die meisten Aktionen, auf die mit einer Ordnungsmaßnahme reagiert wird, aus dem unmittelbaren Affekt heraus geschehen, ist diese Annahme strittig.

Aber auch bei der anderen Erklärung gibt es Probleme. Denn wenn z.B. jeder Schüler der Klasse nachsitzen muss, wenn er „drei Striche“ hat – also vor allem bei vergessenen Hausaufgaben, kann sich der windige Schüler ja ausrechnen, was mehr Zeit in Anspruch nimmt. Dann kommt er einfach alle drei Wochen für eine Stunde. Klar, das wird so nicht gemacht, aber das Problem bleibt. Denn so hätte er zusätzlich die „Belohnung“, dass der Lehrer ihm, der ja etwas nicht gemacht hat, die Möglichkeit gibt, nachzuarbeiten.

Es bleibt dabei: Bei allem, was Lehrer und Lehrerinnen tun können, um Störungen im Unterricht zu vermeiden, aktiv und positiv einzuwirken und Strafmaßnahmen zu vermeiden, ist jede Lehrperson das eine oder andere Mal schon darüber gestolpert, wie er oder sie reagieren sollte.

Konkret würde ich euch (ob Schüler oder Lehrer) gerne einladen, über die Frage nachzudenken:

Gibt es sinnvolle Sanktionen? (Oder sind diese überhaupt erstrebenswert?)

Ich behalte meine Meinung hier zunächst einmal für mich und freue mich auf eure Überlegungen.

 

[1] Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2002 (Kann sich über Ländergrenzen unterscheiden).

[2] Nolting, Hans-Peter: Störungen in de Schulklasse. Weinheim und Basel 2007.

[3]Ebd.

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