ANALYSE: Der Fluch des Eigensinns

Bob Blume
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29. April 2014
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„Aus der Einsamkeit befreit nicht die Welt, sondern das Selbstsein, das sich dem Anderen verbindet.“ Karl Jaspers

Es gibt weniges, das mich so wütend macht wie ignoranter Eigensinn. In dem großen Katalog der Eigenschaften – ja vielleicht könnte man sie sogar Tugenden nennen - die eine Lehrperson mitbringen sollte, ist für mich der Oberbegriff des Sozialen, der Solidarität eine der wichtigsten Grundlagen für die Ausübung des Berufs. Dies hat seinen guten Grund. Denn so sorgt die „wechselseitige Verbundenheit der Mitglieder einer Gruppe“[1] nicht nur dafür, dass sich die Gruppe selbst vor äußeren „Angriffen“ schützt, sondern sie dient den Schülerinnen und Schülern als Modell für eine Welt, in der es eben nicht nur darum geht, seine eigenen Ziele ohne Rücksicht auf Verluste zu erreichen.

In der didaktischen Forschung ist das „Lernen am Modell“[2] als kognitivistische Lerntheorie schon lange ein Axiom. Konkret: Wenn die Schüler den Lehrer als jemanden wahrnehmen, der stetig und mit Überzeugung bestimmte Wert vorlebt, ist die Chance, dass diese Werte als gewünscht und nacharmbar wahrgenommen werden umso größer. Im positiven wie im negativen Sinne.

In meinem Studium der Geisteswissenschaften schauderte es mich, wenn ich über angebliche Jura- und BWL-Studenten hörte, die Seiten herausrissen, so dass ihre Kommilitonen diese nicht für die Prüfungsvorbereitung nutzen konnten. Man erzählte sich, dass ein Standardwerk angekettet werden musste, damit es nicht von einigen Unverbesserlichen versteckt wurde. Egal, ob dies nun den Tatsachen entspricht oder nicht: So, das wusste ich damals wie heute, wollte ich nicht sein. Zumal als Lehrer.

Im selben Fahrwasser dieses ignoranten Eigensinns, der diametral entgegengesetzt zum Solidaritätsgedanken ist, ist es für mich:

  • wenn man Informationen vorenthält
  • die falschen Informationen weitergibt
  • bestimmte Informationen nur bestimmten Leuten gibt
  • hinter dem Rücken anderer seinen Vorteil auslotet
  • immer als erster einen Termin will
  • nicht auf Absprachen achtet
  • lügt

und in jeder erdenklichen Situation nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Nun, so könnte man meinen: So ist die Gesellschaft. Zumindest bei den Lehrern wird es nicht so zugehen. Falsch!

Was mir über den einen oder anderen Kanal über das „Miteinander“ von Referendaren zu Ohren kommt, lässt mich schaudern. Mir wird buchstäblich übel, wenn ich mir vorstelle, dass die „Belohnung“ für ein solches Verhalten auch noch Noten sein könnten, die einem solchen Menschen eher einen Arbeitsplatz bescheren könnten als einem anderen.

Es wird Zeit, dass die Tugend in die Lehre und zu den Lehrern zurückkehrt. Oder übertreibe ich? Habt ihr andere Erfahrungen gemacht?

Ich kann nur sagen: Auch in meiner Zeit als Mitglied des APR-Freiburg konnte ich über viele Berichte nur mit dem Kopf schütteln. Es ist einfach meine tiefe Überzeugung, dass man im Leben miteinander weiterkommt als ohne – oder schlimmer – gegeneinander.

Aber scheinbar haben das nicht alle begriffen. Wenn sie nur nicht Lehrer werden würden.

 

[1] Dtv-Brockhaus Lexikon. Band 17. Sie-Suc. Wiesbaden 1984.

[2] Albert Bandura: Lernen am Modell. Stuttgart 1976

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