Diese Zusammenstellung von Reiselyrik besteht aus Gedichten, die gemeinfrei sind, also weiterverarbeitet und nicht-kommerziell bereitgestellt werden können. Sie sind auch bei Wikisource abrufbar. Die Sammlung wird laufend aktualisiert. Die Gedichte sind nach Erscheinungsjahr aufgelistet (Momentan 5 Gedichte zwischen 1788 und 1826). 

Weiteres zur Reiselyrik findet man beispielsweise in der Epochenbetrachtung, den “Merkmalen” oder einer beispielhaften Interpretation.

Inhalt

An meinen Mann auf der Reise.
Auf der Reise.
Frische Fahrt.
Kurze Fahrt.
Auf der Reise.(2)
Meeresstille
REISELIED
Reise-Lied.

Friederike Brun (1788)

An meinen Mann auf der Reise.

1788.

Laut heulet der Sturmwind
Im luftigen Haupt
Der zitternden Espe –
Es brausen die Wogen
Ans zackigte Ufer,
Weit über das Ufer,
Weit über die Steine,
Mit zischendem Schaum!

Ich höre mit Zittern
Den rauschenden Sturm;
Ich höre mit Beben
Die heulenden Wogen!
Fern ist der Geliebte,
Im schaurigen Walde,
Am stürzenden Felsstrom,
Im hallenden Thal!

Es hellet kein Sternlein
Dir, Lieber! den Pfad;
Dir lächelt, dir winket
Kein Mondstral, o Trauter!
In dunkleren Tiefen
Weh’n hüpfende Flämmchen –
O! folge, Geliebter,
Den Täuschenden nicht!

O kehre bald wieder
Zum heimischen Heerde!
Nicht täuschende Flämmchen –
Die Flamme der Liebe
Im Busen des Weibes,
Das Lächeln der Freude
Im Auge des Knaben,
Die harren Dein hier.

Quelle: GEDICHTE
von Friederike Brun, geb. Münter, herausgegeben durch Friedrich Matthißon (1795)

Ludwig Tiek (1799)

Auf der Reise.

Auf Wiesen, in Wäldern,
An Strömen, auf Feldern
Quillt glühendes Leben,
Die Bäume sie streben
Zum Himmel hinan.
Es fliehen mit Eilen
Die Quellen von steilen
Gebirgen und suchen sich ebene Bahn,
Durch Dornengesträuche,
Vorüber der Eiche,
Dem Wurzelgeflecht;
Und rund um die Quelle
Besieht sich in jeder fortschleichenden Welle
Der kindischen Blumen neugierig Geschlecht.
In Steinklüften suchen
Die glänzenden Buchen
Genügsamen Raum,
Sie zittern und nicken
Und rauschen und schmücken
Den felsigen Saum.
So findet die Quelle
Der Baum sein Stelle
Und treibet sich’s recht:
So dauert, geneset,
Und stirbt und verweset
Zufrieden so manches gebohrne Geschlecht. –
Nur der Mensch geht in der Irre,
Will heut hier seyn, morgen dort,
Alle Sinne im Gewirre
Sucht er stets den fernen Ort.
Will nicht in der Heimath dauern
Weithin dehnt er seinen Blick,
Wandert unter Regenschauern
Und sieht dann mit bangem Trauern
Nach dem erst verschmähten Glück.
Wie in monderhellten Hainen
Wolken durch den Himmel fliehn,
Bald die Bäume glänzend scheinen,
Schatten wieder abwärts ziehn:
Also auch des Menschen Seele,
Daß er durch sein ganzes Leben
Rastlos auf und ab sich quäle
Ward die Sehnsucht ihm gegeben. –
Doch wohl mir, ich fühle
Zerreißen das Band!
Ich nahe dem Ziele
Das fern und ferner seit lange mir schwand.
Das bängliche Schwanken
Das nüchterne Kranken,

Vorüber an mir! –
Wie soll ich dir danken?
O Liebste! o sprich, wie vergelt ich es dir?

LUDWIG TIECK.

Joseph von Eichendorff (1841)

Frische Fahrt.

Laue Luft kommt blau geflossen,
Frühling, Frühling soll es seyn!
Waldwärts Hörnerklang geschossen,
Muth’ger Augen lichter Schein;
5
Und das Wirren bunt und bunter
Wird ein magisch wilder Fluß,
In die schöne Welt hinunter
Lockt dich dieses Stromes Gruß.

Und ich mag mich nicht bewahren!
10
Weit von Euch treibt mich der Wind,
Auf dem Strome will ich fahren,
Von dem Glanze selig blind!
Tausend Stimmen lockend schlagen,
Hoch Aurora flammend weht,
15
Fahre zu! ich mag nicht fragen.
Wo die Fahrt zu Ende geht!

Quelle: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Zwei Novellen nebst einem Anhange von Liedern und Romanzen. S. 202.

Joseph von Eichendorff (1841)

Kurze Fahrt.

Posthorn, wie so keck und fröhlich,
Brachst du einst den Morgen an,
Vor mir lag’s so frühlingsselig,
Daß ich still auf Lieder sann.

5
Dunkel rauscht es schon im Walde,
Wie so abendkühl wird’s hier,
Schwager, stoß ins Horn – wie balde
Sind auch wir im Nachtquartier!

Quelle: Joseph Freiherrn von Eichendorff’s sämmtliche Werke. 1. Band. Biographische Einleitung und Gedichte.
S. 609.

Richard Dehmel (1893)

Auf der Reise.(2)

Nach Li-tai-po.
Vor meinem Lager liegt der helle
Mondschein auf der Diele;
mir war, als fiele
auf die Schwelle

das Frühlicht schon,
mein Auge zweifelt noch.

Und ich hebe mein Haupt und sehe,
sehe den hellen Mond
in seiner Höhe
glänzen. Und ich senke,
senke mein Haupt – und denke
an meine Heimat …

Quelle: Aber die Liebe.Ein Ehemanns-und-Menschenbuch
vonRichard Dehmel. München.
Druck und Verlag von Dr. E. Albert & Co.Separat-Conto.
1893

Johann Wolfgang von Goethe (1796)

Meeresstille.

Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche rings umher.
5
Keine Luft von keiner Seite,
Todes – Stille fürchterlich.
In der Ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.

Glückliche Fahrt.

Die Nebel zerreissen,
Auf einmal wirds helle,
Und Aeolus löset
Das ängstliche Band.

Es säuseln die Winde,
Es rührt sich der Schiffer,
Geschwinde! Geschwinde!
Es theilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne,
Schon seh’ ich das Land.

Quelle: Friedrich Schiller: Musen-Almanach für das Jahr 1796, S. 83.

Hugo von Hoffmansthal (1898)

REISELIED

Wasser stürzt, uns zu verschlingen,
Rollt der Fels, uns zu erschlagen,
Kommen schon auf starken Schwingen
Vögel her, uns fortzutragen.

Aber unten liegt ein Land,
Früchte spiegelnd ohne Ende
In den alterslosen Seen.

Marmorstirn und Brunnenrand
Steigt aus blumigem Gelände,
Und die leichten Winde wehn.

Erstdruck in: Wiener Rundschau (Wien), 2. Jg., 15.9.1898 Internet Archive

Joseph von Eichendorff (1826)

Reise-Lied.

Durch Feld und Buchenhallen,
Bald singend, bald fröhlich still,
Recht lustig sey vor allen
Wer’s Reisen wählen will!

Wenn’s kaum in Osten glühte,
Die Welt noch still und weit:
Da weht recht durch’s Gemüthe
Die schöne Blüthenzeit!

Die Lerch’ als Morgenbote
Sich in die Lüfte schwingt,
Eine frische Reisenote
Durch Wald und Herz erklingt.

O Lust, vom Berg zu schauen,
Weit über Wald und Strom,
Hoch über sich den blauen
Tiefklaren Himmelsdom!

Vom Berge Vöglein fliegen
Und Wolken so geschwind,
Gedanken überfliegen
Die Vögel und den Wind.

Die Wolken zieh’n hernieder,
Das Vöglein senkt sich gleich,
Gedanken gehn und Lieder
Fort bis in’s Himmelreich.

Quelle: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Zwei Novellen nebst einem Anhange von Liedern und Romanzen. S. 207-208.

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