Es ist erstaunlich, wie weit die eigene und die fremde Wahrnehmung auseinandergehen kann. Während man selbst der Meinung ist, dass man etwas freundlich gesagt hat, ist der Partner eingeschnappt, der Kollege verwundert oder die Verkäuferin schnippisch. Das ist in der Schule und im Unterricht nicht anders. Wie viele Kollegen wundern sich darüber, dass eine Arbeit schlecht ausfällt – man hatte doch das Gefühl, dass es alle verstanden haben. Um zu überprüfen, ob die eigenen Vorstellungen von Unterricht auch so ankommen, wie sie geplant sind, ist das Lehrerfeedback unterlässlich. Einige Anmerkungen zu einer Praxis, die eigentlich obligatorisch sein müsste.

Die Wahrnehmungen dessen, wie die Lernatmosphäre ist, kann auf zwei gänzlich unterschiedlichen Polen liegen – je nachdem, wen man fragt. Die Häufung von Aussagen zeigt jedoch, was wirklich gut ist oder wo das Problem liegt. Im folgenden werde ich schildern, welche Praxis ich beim Lehrerfeedback anwende, was es mir bringt und wie ich reagiere.

Eine Veränderung

Es gibt Feedbackbögen wie Sand am Meer. Bei den einen kann man ankreuzen, bei den anderen etwas eintragen, bei dem dritten alles. Nach 5 Jahren Feedback, das ich mir von Schülerinnen und Schülern normalerweise zum Halbjahr hole (und wenn ich es schaffe auch am Ende des Schuljahres, um zu sehen, ob meine Verhaltensänderungen etwas gebracht haben), bemerkte ich, dass mir eine Spalte besonders viel brachte: Der Abschlusskommentar. Hier konnten die Schülerinnen und Schüler frei schreiben, was sie dachten und wollten. Ob nun 17 Schüler angekreuzt hatten, dass ich “nett” war, andere “nicht ganz so nett” oder “gibt sich Mühe” fand ich für eine konkrete Veränderung oder Beibehaltung der Praxis schwer einzubeziehen. Insofern diktiere ich meine Feedbackbögen nur noch. Es finden sich 5 Überschriften darauf, die sich lose an den 7 Dimensionen guten Unterrichts orientieren (dabei sind zwei weggelassen und zwei in eins verschmolzen).

  1. Lernatmosphäre
  2. Themen (und Umsetzung)
  3. Lehrerverhalten
  4. Lernzuwachs
  5. Eigene Leistung (Bemühen)
  6. Abschlusskommentar (und Note)

Generelle Anmerkungen zu den Punkten

Der Ansatz, bevor ich diese Impulse zum ersten Mal in drei Klassen durchführen ließ, war es, ein möglichst breites Feld abzudecken, dass für gelingenden Unterricht wichtig ist, und den Schülern dennoch die Möglichkeit zu geben, frei zu sprechen. Interessant ist dabei, wenn man bestimmte Punkte in Bezug zueinander setzt. So geben beispielsweise vor allem jene an, die das Lehrerverhalten motivierend finden, sich selbst auch mehr anzustrengen.

Umgang mit den Ergebnissen

Bevor ich auf einige Beispiele für Rückmeldungen eingehe, zunächst zu meinem persönlichen Umgang mit den Ergebnissen. Ich lasse die Schülerinnen und Schüler eine Note geben, um auch sie in die Position zu bringen, durch eine Ziffer eine Gesamtbewertung zu artikulieren. Manche nehmen dies an, manche nicht. Besonders gefreut hat mich bei den letzten Bewertungen, dass die Noten von 1 bis 4- reichten. Nicht etwa, weil ich gerne schlechte Noten erhalten würde (ich verstand die Kritik des Schülers sehr wohl). Sondern weil die schlechte Note mir zeigte, dass der Schüler oder die Schülerin in einer sicheren Umgebung ist und er oder sie keine Angst haben muss, dass dies negative Auswirkungen haben könnte (Die Bögen sind anonym, aber natürlich könnte ich die Schrift herausfinden, wenn ich wollte; das will ich aber nicht. Wenn man sicher gehen will, könnte man dies auch mit einem Google-Fragebogen machen).

Alle wichtigen Aussagen werden von mir gesammelt und mit der Klasse besprochen. Dabei ist für mich besonders wichtig, dass ich mich für nichts rechtfertig, dem Schüler oder der Schülerin also das Gefühl gebe, dass die Kritik unberechtigt ist. Vielmehr versuche ich dort, wo ich meine, etwas erklären zu müssen, dies behutsam zu tun. Dort, wie ich meine, dass die Kritik zentral ist, erkläre ich, was und wie ich vorhabe, etwas zu ändern.

Für den persönlichen Umgang ist es wichtig, sich klarzumachen, dass Menschen verschieden sind. In derselben Klasse kann jemanden einer unerträglich finden, während jemand anderes einen für den besten Lehrer der Schule hält. Deshalb ist es wichtig, die Aussagen zwar wahrzunehmen, aber nicht als existentiell zu betrachten. Sie sind im besten Falle eine wichtige Ressource, um sich zu verbessern.

Schwer zu  verwertende Rückmeldungen

Es gibt sowohl positive als auch negative Rückmeldungen, die man sehr schwer verwerten kann. Vor einigen Jahren hatte ich eine Schülerin, die meinen Humor schrecklich fand. Das ist nicht zu ändern. Ich könnte nicht aufhören, Witze zu machen oder humorvoll zu sein, weil es Teil meines authentischen Lehrerpersönlichkeit ist, die andere schätzen. Genau so ist es mit allem, was mit der Art und Weise der Person zusammen hängt. Man kommt halt nicht aus seiner Haut. Man kann es gut finden, wenn viele Rückmelden, dass eine, sagen wir, lockere aber bestimmte Art vielen zusagt. Dies zu ändern ist aber nur mithilfe von Supervision oder gegenseitiger Hospitation – kurz: Mit echter Arbeit an sich selbst zu bewerkstelligen.

Gut zu verwertende und wichtige Rückmeldungen

Anbei folgen einige Rückmeldungen, die ich für mich und meine Arbeit als besonders wichtig erachte. Weggelassen wurde alles, was irgendwie den Anschein erweckt, ich wolle mich selbst loben. Dennoch kann ich sagen, dass bei aller Relativierung der Ergebnisse das  positive Feedback insofern eine andere Qualität hat als im Referendariat, als dass ich weiß, dass sie auf einem Unterricht beruht, der realistisch geplant und umgesetzt wurde (im Gegensatz zu, sagen wir, Unterricht, in dem man für eine Doppelstunde vier Vorbereitungsstunden hatte). Die folgenden Auszüge sind aus den letzten Rückmeldungen entnommen.

Negativ

Oftmals wurde angemerkt, dass ich zu viel rede. Das stimmt und ich bemerke es auch. Das Problem ist, dass dies dann geschieht, wenn ich Spaß habe. Manche Schülerinnen und Schüler bemerken dies auch unter den (sehr) positiven Punkten. Dennoch ist eine zu hohe Lehrerredezeit ein Lernkiller. Dementsprechend werde ich daran arbeiten.

Ein zweiter Punkt, der fast in allen Klassen als “negativer” Punkt rückgemeldet wird, ist, dass ich manchmal sehr kompliziert bin (oft auch positiv als anspruchsvoll gedeutet). In der Tat: Schon seit dem Referendariat arbeite ich daran, Aufgaben klar und deutlich zu geben. Das gelingt nicht immer und bleibt ein Feld, an dem ich arbeiten muss.

Nahezu in allen Klassen gibt es Schüler, die fordern, dass ich mehr Tafelaufschriebe machen sollte. Das ist für mich absolut verständlich, allerdings habe ich starke vorbehalte, weil ich meine, dass Unterricht, der in ein Tafelbild mündet, ein anderer Unterricht ist, als der, der mir vorschwebt. Dennoch: Ergebnissicherung ist wichtig und so muss ich mir einen Weg überlegen, dies in den Fokus zu rücken.

Positiv

Positive Ergebnisse sind immer motivierend. Es gibt aber Punkte, die qualitativ hochwertig und zentral für den gelingenden Unterricht sind und die ich insofern stetig versuche, im Auge zu behalten.

So ist ein immer auftauchender Punkt, dass der Unterricht entweder abwechslungsreich ist oder dass die Schülerinnen und Schüler wahrnehmen, dass die Themen (auch wenn sie ihnen nicht gefallen) so gestaltet werden, das sie einen Bezug zu ihrem Leben haben.

Auch die Unterrichtsatmosphäre wird als konzentriert, locker und angenehm geschildert. Diese Kombination ist mir extrem wichtig, weil ich versuche, ohne Sanktionen zu arbeiten, sondern mit der Einsicht in den persönlichen Vorteil des Lernens.

Beim Lehrerverhalten sind drei Dinge für mich zentral: So wird oftmals rückgemeldet, dass ich jeden Schüler gleich  behandle. Ich denke, dass darf man gar nicht hoch genug hängen. Auch oftmals geäußerte Aussage, dass die Schüler sich trauen können, alles zu sagen, ist mir sehr wichtig, egal ob es sich um Fragen, Kritik oder andere Aussagen handelt. Zu guter Letzt haben viele Schüler geäußert, dass ich mich für sie und ihr Fortkommen interessiere. Auch das ist für mich zentral. Weitere zentrale Schlüsselwörter, die ich ständig versuche im Auge zu behalten sind Fairness, Nachvollziehbarkeit (bei Noten, Kritik und Lob), Verständnis und Lob der Erklärungen und des Anschaulichen Erklärens. 

Zum Schluss

Es gäbe mit Sicherheit noch viel mehr negative und positive Punkte, die sich besprechen lassen könnten. Für mich persönlich zieht das Feedback in jeder Klasse drei wichtige Erkenntnisse nach sich:

  1. Obwohl die Schule selbst für Schülerinnen und Schüler “erfunden” wurde, werden sie viel zu wenig einbezogen. Deshalb ist so ein Feedback unglaublich wichtig.
  2. Schülerinnen und Schüler sind Experten dafür, wie Unterricht ankommt. Diese Expertise sollte man nutzen (müssen). Sie ist eine wertvolle Ressource für die eigene, professionelle Entwicklung.
  3. Wenn man eine schlechte Note oder eine deutliche Kritik bekommt, geht die Welt genauso wenig unter, wie sie einem zu Füßen liegt, wenn das Lob gut ausfällt. Eine sachliche Einordnung ist wichtig.

Was sind eure Erfahrungen mit Feedback? Welche Tipps, Tricks und Anregungen habt ihr?

Hier gibt es den (sehr nackten) Feedbackbogen als PDF

Lehrerfeedback

Podcastfolge

Mit Benedikt Wisniewski habe ich über effektiven Unterricht gesprochen. Allerdings wurde hier auch einiges über Feedback gesagt – aus wissenschaftlicher Perspektive. Für alle, die weiterdenken wollen.

 

4 Kommentare

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