Egal, welche Tür man nimmt. Man nimmt eine Tür.
Gut schreiben oder gut schlecht schreiben?

Würde man jedes Mal, wenn Twitter dafür sorgt, dass man einen fruchtbaren Impuls erhält, einen Strich an die Wand machen – das Zimmer sähe aus wie ein impressionistisches Bild eines Kornfeldes. Dieses Mal postete Philippe Wampfler eine Buchempfehlung. Die Erkenntnis daraus und aus der kurzen Diskussion, die sich daraus ergab, ist problematisch: Eigentlich lernen Kinder und Jugendliche in der Schule vor allem, wie man gut schlecht schreibt. Ein Kommentar. 

 

Schon der Text über das Buch, den Wampfler in diesem Tweet präsentiert, zeigt präzise die Problematik des Schreibens in der Schule.

Eigentlich hätte dieser Blogpost anfangen müssen mit dem Satz: „In seinem 2017 erschienen Non-Ficton-Opus ‚Lehrer, ihr müsst schreiben lernen!‘ elaboriert Markus Franz, warum Pädagogen der Verbesserung ihrer schriftliche Ausdrucksfähigkeit arbeiten sollten.“ Ich befürchte aber, dass man die Anspielung nur versteht, wenn man das Buch gelesen hat und alle anderen nicht weiter lesen.

In der Schule aber lernen Kinder so zu schreiben.

Dies bedeutet also: Kinder lernen schreiben, als wäre dies nicht mehr als das Pressen von Worten in eine Form, die immer gleich sein muss. Oder wie der Autor sagt:

Am Ende sind die Texte vergleichbar und man kann feststellen, wer besser darin ist, schlecht zu schreiben.

In der Tat. Ich bekenne mich sogar schuldig, dann, wenn ich das Gefühl habe – hoffentlich durch mein Schreiben, Lehren und Lernen – dass eine Schülerin oder ein Schüler im Schreiben immer besser wird, bis er oder sie am Ende vor der Entscheidung steht, was sie oder er im Abitur nehmen soll, die Schülerin zu beraten, was vom System goutiert wird.

Dabei geht es nicht darum, dass man Schülerinnen und Schülern erklärt, wie man gute Noten schreibt, ohne das Schreiben zu schulen. Aber dennoch bedeutet das, dass gutes Schreiben nicht das alleinige Merkmal dafür ist, ob die Bewertung dementsprechend ist.

Mit anderen Worten: Gutes Schreiben ist in der Schule eigentlich nur eingeschränkt möglich. Denn selbst als Lehrer, der fast täglich schreibt oder für Zeitungen, Verlage oder andere Medien Worte aneinanderfügt, so dass sie im besten Fall nicht nur Sinn ergeben, sondern auch informieren und unterhalten, kann man nicht dafür garantieren, dass der Zweitkorrektor seit 40 Jahren nichts anderes tut, als Texte nach formalen Fehlern zu prüfen (nebenbei: Die Form ist extrem wichtig für einen guten Text, aber dann sprechen wir von einer flexiblen, den Text untermauernden, quasi symbiotischen Form).

Und da sind wir an der entscheidenden Stelle: Solange die Didaktik auf einer vergleichbaren Prüfungskultur fußt, die den Vergleichsmaßstab zum Primat erhebt, kann man in der Schule den Fokus nicht auf das gute Schreiben legen, sondern muss immer auch das Schreiben unter den Bedingungen des starren Rahmens mitdenken.

Vor einigen Jahren musste ich dies am eigenen Leib erfahren, als ein Lehrer einer anderen Schule, der meine damalige Klasse als Zweitkorrektor korrigierte, alle Klausuren herunterkorrigierte, weil er die Interpretationsansätze nicht nachvollzog. Diese beschäftigten sich mit einem modernen Buch, dass in einigen Schulen nach dem Sturm der Entrüstung von Eltern ausgetauscht wurde, weil auf einer Seite das weibliche Geschlechtsteil genannt wurde. Der Zweitkorrektor erklärte mir also die Deutungsansätze meiner Schüler nicht nachvollziehen konnte und mehr nach der Form gegangen sei. Das hatte auch einen Grund:

Der Zweitkorrektor hatte das Buch nicht gelesen.

 

10 Kommentare

  1. Ich denke, dass das Problem eben in der abschließenden Bewertung des Produkts (Textes) liegt. Hierbei wird doch sehr oft nach formalen oder inhaltlichen Aspekten gesucht und sprachliche Aspekte oder Impulse, die vom Text ausgehen können, werden (wenn überhaupt) als Tendenz eingerechnet um 0,2 nach oben oder unten zu bewerten. Aber warum sollte man als LehrerIn nicht auch mal durch einen Schülertext schlauer werden oder eine neue Sichtweise auf ein Thema/ Ursprungstext bekommen? SuS gehen leider meist zu verkopft an Textarbeiten heran, indem sie sich an das gelernte Schema halten und dieses „abarbeiten“. Stattdessen sollten sie vielmehr ihr Potenzial nutzen und nicht zu verkopft an die Arbeit gehen. Spontan habe ich die Analyse eines Prosatextes vor Augen. Hier sollten SuS sich einfach überlegen welche Fragen Sie denn an den Text haben. Ziel des Unterrichts sollte es hierbei sein ein Gespür für mögliche Fragestellungen zu vermitteln. Wenn die SuS dann ehrliches Interesse daran haben, dann werden die Texte automatisch besser.

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