Foto: Thomas Clemens

Die Frage, die vom Kollegen Felix Schaumburg gestellt wurde, finde ich wichtig, da sie mich auch beschäftigt. Genau aus dem Grund, dass man bei Twitter eben nicht diskutieren oder lange antworten kann, hier meine persönliche Perspektive.

Foto: Thomas Clemens

Meine Twitter-Nutzung war schon immer in einem Graubereich. Ich bin kein „Bildungs-Twitterer“, auch wenn mich das Thema Bildung bzw. digitale Bildung natürlich interessiert (übrigens immer weniger, weil ich die Argumente immer weniger verstehe, aber das ist ein anderes Thema). Ich bin aber auch kein ausschließlicher Wortwitz-Twitterer, auch wenn ich gerne solcherlei Sprachspielereien betreibe. Oft nutze ich Twitter auch, um nicht nur politisch auf dem Laufenden zu bleiben, sondern den Anschein zu erwecken, Wirkung entfalten zu können. Ja, leider ist es so. Es ist der Anschein von Wirkung.

Dabei hat sich meine Nutzung und vor allem meine persönliche Perspektive stark geändert. Am Anfang war ich enthusiastisch. So viele Lehrer, die interessiert an der digitalen Bildung sind, so viel Austausch, so viel schlaue Impulse. Ich wollte, dass quasi jeder Lehrer Deutschlands auf Twitter kommt.

Dann merkte ich, dass mir der sich stetige wiederholende Austausch über Schlag- und Schlüsselworte zu wenig ist. Und da schon im Zeugnis der 1. Klasse stand, dass ich dazu neige, die Worte auf die Goldwaage zu legen, machte ich das. Sinnvolles, sinnloses, immer mit dem Wunsch, eine kleine Wirkung zu entfalten. Ich schrieb sogar diesen Text, in dem ich mich dafür rechtfertigte.

Von mir sehr geschätzte Kollegen erklärten mir, dass ich mehr machen könnte und dass es nicht gut sei, nach Herzchen zu streben. Ein anderer Kollege, der auch Bücher verkauft und in Fernsehsendungen unterwegs ist, erklärt mir immer mal wieder, welche Tweets sich nun widersprechen. Feedback ist so wichtig.

Natürlich gibt es rationale Argumente, auf Twitter zu bleiben. So wurde ich an Universitäten eingeladen, konnte dort Sessions machen, kann für einen Schulverlag schreiben oder Videos für Lernmodule produzieren. Sage ich aber nicht mehr. Kommt nicht so gut an. Vorwurf: Selbstvermarktung.

Eigentlich habe ich für die meisten Sachen sowieso zu wenig Zeit. Denn ich habe ein volles Deputat, eine volle Stelle und mache drei gymnasiale Hauptfächer; in den sogenannten „Winterferien“ hatte ich drei Tage für meine Familie – der Rest war Korrektur. Ich bin in einer Partei und versuche da, Social Media zu etablieren. Ich gehe auf Demos und versuche meinen Schülerinnen und Schülern auch von zu Hause aus zu helfen, indem ich YouTube-Videos produziere. So schön ich es fände, Events anzuleiten (was ich übrigens in der Schule in den AGs, die ich leite, tue); ich habe schlicht keine Kapazitäten. Aber deshalb möchte ich Twitter nicht missen. Wenn ich – wie heute – wieder den ganzen Sonntag am Schreibtisch sitze, weil ich eine von etwa 30 Klassensätzen dieses Schuljahr korrigiere, möchte ich ab und zu schauen, was die Welt so macht. Und einen lustigen und sinnlosen Spruch schreiben, für den es lustige Herzchen gibt. Für die nächsten 20 Arbeiten gibt es die nämlich nicht.

Also: Brauchen „wir“ Twitter? Ich kann für mich sagen: Ja. Für die vielen kleinen sprachlichen Besonderheiten, die ich gerne lese. Dafür, dass ich Schülerinnen und Schülern sagen kann, dass ich jemanden kenne, der ihnen vielleicht weiterhelfen kann. Dafür, dass ich Leute kennenlernte, die ich mag. Und dafür, mich wie so ein kleines Kind zu freuen, ein paar Herzchen zu bekommen.

Für Diskussion, richtigen, offenen Austausch? Nein. Dafür nicht. Dafür sind Konferenzen etc. wirklich besser. Ich hätte mal wieder Lust, auf eine zu gehen. Aber dafür fehlt mir die Zeit.

6 Kommentare

  1. Brauchen wir Twitter noch… keine Ahnung. Ich brauche Twitter nicht, aber ich nutze es gerne und regelmäßig, wenn auch nicht häufig. Ich möchte es nicht missen, könnte aber durchaus. Für Diskussionen habe ich Twitter stets ungern genutzt, und mäßig produktiv.

    Twitter ist mir Ersatz für Bürotratsch, Telefongespräche im Großraumbüro, die man mitbekommt, Schlagzeilen, selbst kuratierter Bilder- und Überschriftenspender. Ob die Bildungstwitterer Twitter noch brauchen, kann ich nicht beurteilen.

    • Du weißt ja, dass du ein Adjektiv bist. Jetzt auch als Verb. Ich rauisiere. Das, was du schreibst, überrascht mich nicht, weil du es schon seit ich dich (schriftlich) kenne so sagst. Ich habe das Gefühl, dass ich in Bezug auf Diskussionen einfach lange brauchte, um auf deine Erkenntnis zu kommen. In der Nutzung unterscheiden wir uns, aber das ist ja auch ok. Ich muss mich wohl nur häufiger für meine Frequenz rechtfertigen, aber es ist ja kein Zwang dabei.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein