Pokémon Marke "Selbstgemacht"
Pokémon Marke “Selbstgemacht”

Nun also doch: Genau einen Tag schaffte ich es, mich dem Pokémon Go Hype zu entziehen, dann war die Neugierde größer, was die – so meine Annahme – Jugendlichen jenseits von Bedenken über den Datenschutz weg von der Couch auf die Straße treibt. Nicht nur diese Annahme stellte sich als falsch heraus. Pokémon Go macht sogar dann Spaß, wenn man wie ich noch keine Erfahrungen mit den kleinen Viechern mit den lustigen Namen gemacht hat. Aber eins nach dem anderen. Ein kleiner Erfahrungsbericht. 

“Herr Blume, Herr Blume”, ruft es mir in der Innenstadt nach. Beim ersten Mal hatte ich nicht reagiert, suchte ich doch nach einem neuen Poké-Stop, der mir nun, nach dem 5. Level und etwa 5 Kilometern laufen ein paar Extras geben sollte, die ich noch nicht kannte. Die beiden stellten sich nach verlegenem Schmunzeln als Schüler heraus, die ich in meinem Referendariat vor 5 Jahren unterrichtete. Das war natürlich kein Grund sich zu schämen; der befand sich vielmehr in der Hand in Form eines Handys, denn die beiden waren, man mag es vermuten, auch in der Innenstadt unterwegs um die kleinen Monster des neuen Nintendo-Spiels zu fangen. Hat man sich damit arrangiert, dass man dadurch irgendwie nerdig ist, macht es Spaß – und man kommt ins Gespräch.

 

Nach 8 Kilometern und 70% des Akkus sind es viele Eindrücke, die man verarbeitet, wenn man zum ersten Mal durch die Stadt hechtete, um nach Monstern und Power-Ups zu suchen. Als aller erstes hieß es für mich eine Peinlichkeitsgrenze zu überschreiten, denn die meisten Stops und Monster sind natürlich in der Stadt, wo es von Menschen nur so wimmelt. Als ich dann an einem Bioladen, vor dem einige Mütterchen über die Frische des Salates berieten, meinen ersten dickeren Pokémon fangen wollte und mir dies ausgerechnet dort nicht gelang, kam ich mir (aus gutem Grund) schon ein wenig komisch vor.

Der erste etwas größere Pokémon

Zumal ich keiner derjenigen bin, die mit Pokémon aufgewachsen sind und sofort einen Wiedererkennungseffekt verspüren oder alle Namen auswendig können, wenn sie die Monster oder Ratten oder Bienen in Monstergestalt sehen. So geschehen bei einer weiteren Gruppe ü20er, die ich im Park traf. Einer von ihnen gab an Pokémon mit 9 Jahren 1999 wie ein Verrückter gespielt zu haben. Dabei zeigt sich zumindest ein Grund für den Hype: Die einen sind verrückt, weil es neu ist, die anderen, weil es alt ist. Das Star-Wars-Phänomenen in Handformat.

Und das hat keine Altersgrenze. Als ich auf einen Kaffee in einer Bar über der Stadt sitze, bemerke ich einen Barkeeper, der eine Freundin mit wissenden Blicken auf das Handy begrüßt. Auch er sei über 30, sagt er, und habe schon beachtlich fortgeschrittene Pokémon. Überhaupt: Während ich herum probiere und durch diese mittelgroße Stadt Süddeutschlands laufe, fällt mir auf, wie viele junge und alte Leute eigentlich auf ihr Handy starren. Es ist etwas anderes, als man es von WhatsApp und Co gewohnt ist, weil es kein sicherer Umgang ist. Immer wieder müssen sich die Leute vergewissern, wo sie sich aufhalten, halten ihr Handy vor sich, tuscheln und suchen nach neuen Monstern.

Interessant ist dabei die Auswahl der wichtigen Plätze. Denn man geht an Orte, die man zuvor noch nie wahrgenommen hat, weil sich eben dort eine Kampfarena oder einer der wichtigen Poké-Stops befindet, vor denen man sich schon in Acht nehmen muss, weil ich Rüber wissen, wo diese sind. Während man kreuz und quer durch die Stadt läuft fallen einem also tatsächlich Orte auf, die sonst verborgen geblieben wären. Ob dadurch wirklich ein Effekt eintreten könnte, der, wie einer der jungen Leute, die in ihrer Mittagspause auf Monsterjagd gingen, mir sagte, dafür sorgen könnte, dass Kinder lieber mit ihren Eltern durch fremde Städte gehen, bezweifle ich. Klar, in einer neuen Umgebung kann man neue Pokémon fangen, aber ob dadurch die Statue länger in Erinnerung bleibt?

IMG_1409Fernab von didaktischem Interesse macht es aber einfach Spaß den Viechern hinterherzulaufen und diese in lustigen Situationen zu fangen. Da es aber durchaus schwieriger ist, diese zu fangen, wenn die Augmented Reality angeschaltet ist, werden die meisten Spieler schnell dazu übergehen, diese auszuschalten. Dies ist vor allem deshalb erstrebenswert, weil das Spiel das Handy aussaugt, als habe man 23 andere Apps laufen. Kein Wunder: Die Bewegungsdaten müssen über GPS abgeglichen und dauernd aktualisiert werden.

Nachdem ich dann über Level 5 war, das man braucht, um zu kämpfen, ging ich zu einer Arena. Es ist schon spannend, wenn man seine kleinen Tierchen in den Kampf schickt, zumal man anfangs noch nicht weiß, was auf einen zukommen wird.

Kurz gesagt war jemand da, der besser war als ich. Viel besser. Nachdem ich ein kleines Katzengeschöpf besiegt hatte, stand etwas undefinierbares Großes vor meinem aufgeputschten Wesen und machte kurzen Prozess. Das war es dann. Etwas traurig machte ich mich auf den Weg nach Hause.

Was bleibt von den ersten Stunden dieses Spiels? Vor allem die Erkenntnis, dass es wirklich viel Spaß macht. Zum einen, weil das Auffinden der Monster den Effekt hat, den jeder kennt, der schon einmal Sammelkarten gesammelt hat. Man weiß nicht, was einen erwartet, und wenn etwas dabei ist, was man nicht kennt, fühlt man eine kindliche Freude (ob auch als Kind kann ich nicht beurteilen). Auch habe ich automatisch an den jeweiligen Orten mit unterschiedlichen Leuten gesprochen. Leute in meinem Alter, die 20-Jährigen in der Mittagspause und ein paar Berufsschüler, die mir einige gute Tipps zum Ausbrüten von Eiern mit auf den Weg brachten (Gucken Sie nicht so, probieren Sie es aus).

Am Ende war ich etwas enttäuscht, weil ich erwartet hatte, nach so vielen Kilometern wenigstens einen Kampf zu gewinnen. Anscheinend braucht man aber Hilfe, um bestehen zu können.

IMG_1408Da in die nächste Kampfarena direkt an der Waldorfschule ist, bezweifle ich mal, dass es für mich so leicht sein wird, ein Team zu finden. Muss aber auch nicht sein. Das Wichtigste für mich war, zu sehen, was dahinter steht. Werde ich es wieder machen? Nun, so viel Zeit werde ich normalerweise nicht haben. Aber ich bin mir sicher, dass ich, vor allem, wenn ich mal wieder in einer fremden Stadt bin, mein Handy herausholen und mit einem scheuen Grinsen im Gesicht Ausschau halten werde. Und ich bin mir sicher, dass dies andere auch tun werden.

Wir nicken uns dann verschwörerisch zu.

 

 

 

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