Frau Hilde hat ein Blogevent ins Leben gerufen. Dazu heißt es:

Was sind eure schrägsten, eindrücklichsten, lustigsten, am tiefsten ins Gedächtnis eingebrannten Schulerlebnisse bzw. -erinnerungen?

Berichtet davon auf eurem Blog und verlinkt zu diesem Beitrag oder schickt der Frau Hilde eine Mail und erzählt davon, und zwar bis 1. April.

Mein Beitrag zu diesem Event ist nicht neu geschrieben, sondern eines, das ich nach dem Erlebnis enthusiastisch aufschrieb. Und zwar am 28.3.2012, eigentlich nur als eigene Erinnerung. Der Tagebucheintrag ist nur um die Namen der Schüler und die ersten einleitenden Sätze verändert.

(…)Das Referendariat und alle Konsequenzen, gute wie schlechte, die es mit sich zieht, könnte schon ein Buch füllen. Eigentlich wollte ich vor allem deshalb schreiben, weil ich denke, dass ich heute, trotz guter Arbeit mit den Schülern zuvor, in vielerlei Hinsicht ein Schlüsselerlebnis hatte.

Es ging in der Stunde darum, ein von den Schülern ausgewähltes Raplied als Chor umzuformen. Die Stunde war für mich perfekt! Nicht, weil die Methoden so toll und abwechslungsreich waren, sondern weil etwas passiert ist, was ich in dieser Form so noch nicht miterleben durfte. Zumal die Klasse ein zuweilen lethargische, nicht zu bewegende ist.

Zunächst ist die Stunde zuvor zu besprechen. Die Schüler durften ein Lied auswählen, das, anders als das Lied, das wir für kurze Zeit gesprochen hatten und das ob seiner pessimistischen Atmosphäre nicht für die Klasse passte, von den Schülern selbst herausgesucht wurde. Da leider nur zwei Schülerinnen Vorschläge schickten, dachte ich daran, dass das Unternehmen schon im Ansatz scheitern würde. Aber es kam anders. Die von mir ausgewählten Lieder fanden so regen Anhang, dass schließlich nur noch zwischen dreien entschieden wurde, dich ich ausgesucht hatte. Das alles mag sehr egozentrisch klingen, vielleicht ist es das auch, aber in Anbetracht der Tatsache, dass die Schüler mit so vielen Dingen konfrontiert sind, die sie nicht beeinflussen können, zeigte eine Auswahl des Vorgeschlagenen, dass ich mit der Auswahl einen Nerv getroffen hatte.

Ich spielte das Lied kurz vor. Dann nochmals, während die Schülerinnen aufstanden und es mitmachten. Die Stimmung war zwar noch verhalten, aber hier oder da zeigte sich durch eine intensive Konzentration auch der Schüler, die normalerweise Zeit brauchen, um mit ihren Gedanken im Klassenzimmer anzukommen, dass hier ein Interesse geweckt wurde, dass in den Schülern selbst war. Die Schüler konnten nun Arbeitsgruppen so einteilen, wie sie wollten und waren frei, sich einen Platz im Schulgebäude auszusuchen. Nachdem wir noch eine weitere Strophe dazu bekamen, weil die Schülerinnen mich (fälschlich) darauf aufmerksam machten, dass das Lied noch weiterginge (dies ist eigentlich ein neues Lied), arbeiteten die Gruppe daran, das Lied auf ihre Klasse zuzuschneiden. Als alle Gruppen wieder da waren, passierte, weshalb ich diesen Eintrag schreibe. Die Schülerinnen waren konzentriert wie nie, während die verschiedenen Vorschläge gemacht wurden. Sie Schülerinnen taten all das, was wir in den Einheiten zuvor geübt hatten. Sie konnten endlich ihr Expertenwissen anwenden und somit alles verbinden, was zuvor keine Verbindung hatte. Zunächst ging es bei der Umformung von Singular in Plural um. Dann wurden textliche Veränderungen vorgenommen. Die Schüler gingen aufeinander ein, erklärten sich, dass eine Silbe fehle, um das Metrum beibehalten zu können, argumentierten auf der Grundlage der vorangegangenen Textteile, inwieweit eine neue Einfügung auch in den Gesamtzusammenhang passte, setzten sich mit ihrer Klasse auseinander, indem sie das Verhältnis anhand des Textes prüften, benannten rhetorische Figuren wie Metapher, Antithese und Anapher und verbanden sich in einer Weise, wie ich es so noch nicht erlebt habe. Dies bedurfte zwar meiner Lenkung, aber eben deshalb macht es mich auch so stolz. Normalerweise hören sich die Schüler gegenseitig wenig zu, die vorderen und hinteren sind fast wie in einem Konflikt, der aber nie an die Oberfläche kommt. Nachdem eine Schülerin, deren Mentor unsere Aufnahme produzieren wollte, eine Kritik geäußert hatte, versuchte ein anderer mit lauter Stimme, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Nachdem ich ihn jedoch darauf hinwies, sachlich zu bleiben, waren seine Argumente angreifbar. So konnten ein produktiver Dialog entstehen, bei dessen Ende die Schüler sich einigen konnten, und ich die Schülerin dadurch, dass ich sie um ihr Einverständnis fragte, auch in das Endprodukt einbezogen wurde.

Beim anschließenden ersten Sprechen, bei dem zunächst nur unterschiedliche Dinge ausprobiert werden sollten, konnte ich meinen Ohren bzw. Augen nicht trauen. Ich hatte fest damit gerechnet, dass sie Jungen niemals singen würden. Die Sprechversion klingt zwar nicht so schön wie im original, aber, nein, dachte ich, das werden sie nicht tun. Und obwohl es nur sieben Jungs waren, von denen drei ein eher schlechtes Standing hatten, wollten sie singen. Sie wollten. Und taten es dann auch. Die Mädels stimmten ein und wir sprachen die erste Strophe zusammen. Es war phantastisch, und zwar so sehr, das eine bisweilen lustlose Schülerin noch nicht einmal nach 90 Minuten auf die Uhr schaute. Sie waren wohl eher überrascht als die Stunde zu Ende war. Diese Erfahrung zeigt deutlich, wie viel wichtiger diese mit Teambuilding so schrecklich semi-englisch und kalt beschriebenen Maßnahmen sein können, als der Versuch, alles perfekt zu machen. Wenn man die Schüler tatsächlich dazu bringt, die Dinge nicht nur zu machen, denn sie machen ja, sie sind ja nett, sie strengen sich ja an, sondern etwas machen zu wollen, und zwar so machen zu wollen, dass alle für einen langen Zeitraum nur anwesend sind, ist das ein unbeschreibliches Gefühl. Zwei solche Stunden innerhalb von anderthalb Jahren sind es wert. Nicht isoliert. Sondern nun als Anknüpfungspunkt der Weiterarbeit.

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