Die Kameras klicken. Die Mikrofone sind auf einen Punkt hinter dem Tisch fixiert. Nervöse Journalisten hoffen auf fette Beute. Ein bekannter Fußballspieler, ein Weltmeister, betritt die Bühne. Und dann spricht er: „I hope we have a little bit lucky.“ Ein kurzer Satz, ein falscher Satz. Die Folgen sind ausufernd. Es sind nicht die amerikanischen Medien, die Lothar Matthäus seine auch schon in deutscher Sprache unglückliche Ausdrucksweise vorhalten. Vielmehr ist es der deutsche Boulevard, der genüsslich den ehemaligen Vorzeigeprofi, der nunmehr zu einem von öffentlicher Liebschaft zu Liebschaft strauchelnden Sündenbock gemacht wurde, zerreißt und zerpflückt und zermalmt – wie ein Drache den Ritter.

„I hope we have a little bit lucky.“

Die englische Sprache hat Glück – und das gleich doppelt. Das erste Glück, das „Luck“, ist das eher zufällige, momentane, das einem vor die Füße fällt. Man ist kurz glücklich und sagt dies auch: „Da habe ich aber Glück gehabt.“ Und die anderen, die Zuhörer, bestätigen dies mit den Worten: „Du bist aber ein Glücksritter.“ Und dann freut man sich, dass das eigene Glück erkannt wurde, und man ist nochmal glücklich. Dabei ist es nicht erheblich, ob man dem Unglück entgangen ist oder dem Glück zugewandt war. Ob man also gerade so nicht von einem riesigen Hund gebissen wurde oder das entscheidende Tor im in der letzten Spielminute erzielt hat.

„I hope we have a little bit lucky.“

Das zweite Glück, das nur die englische Etymologie in die Welt schreibt und spricht, ist das konstante, chronische Glück: die „Happiness“. Dieses Glück ist nicht so laut, man muss es nicht weitersagen, man strahlt es aus, es wird einem angesehen. Man sagt nicht: „Ich habe Glück gehabt.“ Man braucht nicht zu reden. Das stumme Glück. Das Problem bei der „Happiness“ ist natürlich, dass man sie nicht so leicht umreißen kann. Sie ist nicht so konkret wie das „Luck“, das sich in der Konkretisierung eines Umstandes zeigt und einem entgegenstrahlt. Im Gegensatz zum „Luck“ gibt es die „Happiness“ auch nicht nur teilweise. Man ist glücklich oder nicht.

„I hope we have a little bit lucky.“

Beide Arten des Glücks haben jedoch eines gemeinsam. Der amerikanische Sänger und Liedschreiber Ben Harper drückt dies so aus: „You put the happy in my –ness.“ Natürlich weiß der gute Ben auch, dass das einzelne Suffix noch keinen Sinn ergibt. Aber beides zusammen schon. Glück ist nicht teilbar. Glück ist nicht unteilbar. Und das wird gerade in der heutigen Gesellschaft zum Problem. Die heutige Gesellschaft. Eine ständig perpetuierende Phrase, die immer stimmt, weil sie immer das betrifft, was gerade scheint. Hat  man also in der „heutigen Gesellschaft“ niemanden zur Hand, greift man auf soziale Netzwerke zurück, um sein Glück zu teilen. Es potenziert sich mit den „Gefällt mir“-Eintragungen. Und wenn es keinem gefällt? Dann hat man zwar Glück gehabt, ist deswegen aber nicht unbedingt glücklich. Man hatte „Luck“, aber es fehlt die „Happiness“.

„I hope we have a little bit lucky.“

Muss ich mein Glück also mit anderen teilen? Es kommt darauf an. Da das stumme Glück zumeist erworben ist, also mit dem eigenen Handeln zusammenhängt, kann es auch genossen werden, ohne das es ein anderer mitbekommt (Es sei denn natürlich, dass das erworbene Glück in direktem Verhältnis zu der Zufriedenheit anderer steht). Man ist Subjekt des Glücks. Natürlich gibt es auch Grenzfälle. Schießt der Weltmeister das letzte, das entscheidende Tor in der letzten Minute der Nachspielzeit, so macht ihn das aus vielen Gründen glücklich. Ohne die Zuschauer jedoch, fehlte die symbolische Potenz, dessen konkrete Form der berühmte Pokal annimmt, der bestätigt, dass man selbst und die seinen die Besten der Welt sind.

Ist man jedoch nur das Objekt des Glücks, ist dessen Epiphanie keine erarbeitete Leistung, sondern nur eine – sie werden es ahnen – „glückliche Fügung“. Und solange diese Fügung keine ist, die als kausale Folge eine stumme „Happiness“ nach sich zieht – sie ahnen es wieder: MUSS sie geteilt werden, um gleichsam in ihrem Echo aus dem Objekt des Glücks ein Subjekt zu machen. Die anerkennende Schwertleite des zufälligen Drachentöters.

Der bekannte Fußballer steht vom Sitz auf. Leichtes Lachen ist zu hören. Und das Surren der Kameras. Und Tippen auf Notebooks. Man sieht dem Fußballer an, dass er weiß, dass sein Schwert schon vor dem ersten Kampf zerborsten ist. Dass die Drachen ihn genüsslich verspeisen werden.

Der Journalist sitzt, schreibt und grinst verschmitzt. Er bläst Rauch aus seiner Nase. Rauch von einer Zigarette. Er wird sein „Luck“ tausendfach teilen können. Und das wird in „happy“ machen. Da ist er sich sicher. Sein Englisch könnte zwar besser sein, aber im Augenblick denkt er nur an seinen Erfolg. „Wenn das jedes Mal so wäre“, denkt er bei sich. Und dann hängt sich ein weiterer Gedanke an:

„I hope we have a little bit lucky.“

 

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