Ich kam am frühen Morgen, ausgeruht und voller Tatendrang, in der Schule an. Der Unterricht startete auf die Sekunde pünktlich, da der Kopierer so leer war, dass ich alles – auch schon das Material für die nächsten zwei Wochen – schnell und unkompliziert kopieren konnte. Starten konnte ich den Unterricht jedoch trotzdem nicht sofort, da ich zunächst die Schüler aus ihrem konzentrierten Austausch über die für sie so spannenden Aufgaben reißen musste. Nachdem ich einem Schüler mitgeteilt hatte, dass ich leider nicht noch mehr Hausaufgaben geben könne, da diese dann nicht mehr in den Unterricht zu integrieren wären, begann der eigentliche Teil. Die aufgelegte Folie begeisterte die Schüler so, dass alle wissen wollten, wie ich denn darauf gekommen sei. Eine Schülerin stand abrupt auf und bedankte sich, da sie der Überzeugung sei, diese Folie auszuwählen müsse unglaubliche Anstrengungen meinerseits beansprucht haben. Nach dem Einstieg drehte ich mich kurz zum Overheadprojektor, um zu schauen, warum das Bild so ungemein scharf ist. Als ich mich wieder umdrehte, hatten die Schüler sich in Gruppen aufgeteilt und warteten mit unaufhaltsamer Wissbegier, die aus ihren Augen funkelte, auf Anweisungen. Jeder wollte das, was nun kommen sollte, zuerst haben, so dass die Schüler sich mit Argumenten überboten, warum sie und nicht die anderen die Gruppenblätter bekommen sollten. Anhand dieser Argumente führte ich die lineare Erörterung ein, was durch ein Klopfen der gesamten Klasse auf die Tische gewürdigt wurde. Dann konnte die Arbeit beginnen. Zunächst teilte jede Gruppe die Arbeitsaufträge so auf, dass auch wirklich jeder etwas zu tun hatte. Ermahnugen gab es seitens der Teilnehmer keine, da alle mit knisternder Motivation die Aufträge ausführten. Noch bevor ich die Gruppen auffordern konnte, ihre Ergebnisse zu präsentieren, stand schon die erste Gruppe vorne. Schlagartig war es ruhig. Die vorn stehende Gruppe hatte ihre stringente Struktur schon zuvor an die Tafel geschrieben, während ein weiterer Teil ein Handout angefertigt hatte, das kopiert – es war immer noch niemand am Kopierer zu sehen – und der Klasse ausgeteilt worden war. Bevor die Präsentation begann, stellte der Rest der Klasse so viele Fragen, dass die Gruppe sie freundlich ermahnen musste, um endlich mit der Präsentation beginnen zu können. Nachdem auch die letzte Präsentation fertig war, erklärte ich der Klasse, dass ich mit dem Schulleiter sprechen müsse, ob eine Note, die jenseits der 1+ liege, noch im Bereich des Möglichen wäre. Ich fragte jede Gruppe nach der Essenz ihrer Präsentation und notierte die Antworten als ein Tafelbild, das ich abfotografierte und an einen großen Verlag schickte. Allerdings unter Protest der Schüler, die viel lieber selber an die Tafel gegangen wären. Nachdem die Schüler den Tafelanschrieb in wunderbarer Stille in ihr selbst gebundenes Arbeitsheft übertragen hatten (alle Stiftfarben des Mäppchens wurden benutzt), wurde ich durch Standing Ovations und gemeinsames Klatschen aller Schüler aus dem Unterricht entlassen.

In der Pause kamen dann noch mehrere Schüler, da sie das Thema so sehr interessiere, dass sie gerne weitere Materialien für zukünfitges Arbeiten haben wollten. Erschöpft und glücklich genoss ich die schönste Pause meines Lebens.

Schweißgebadet wachte ich auf; denn seien wir ehrlich: würde jede Stunde so verlaufen, bräuchten wir eigentlich auch keine Lehrer mehr.

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